1. Einführung: Was ist?
Beobachtetes Kernphänomen und konstruiertes Syndrom
1.1 Das beobachtete Kernphänomen
PAS beruht kurz und bündig auf der Beobachtung des Kernphänomens, dass ein Kind bei sich trennenden, scheidenden oder geschiedenen Eltern meist relativ plötzlich und ohne nachvollziehbare Gründe, sich von dem umgangsberechtigten Elternteil und dessen Beziehungspersonen vollständig abwendet und nur noch mit dem Sorgeberechtigten und dessen Beziehungsumwelt zu tun haben will. Fast alle familienrechtspsychologischen GutachterInnen dürften dieses Phänomen kennen; und mir ist es auch bekannt.
1.2 Das Syndrom und die Diagnostik
1.2.1 Einführung und Vorverständnis der Grundbegriffe
Zum Vorverständnis möge folgendes Beispiel dienen: In der Krankheitslehre unterscheidet man u.a. die Hauptbegriffe Symptom (Zeichen, z. B. Fieber, Husten, Lichtempfindlichkeit); Syndrom (typisches Muster von Symptomen, z. B.: 9-11 Tage nach der Ansteckung fieberhafter Katarrh, Lichtscheu, Schnupfen, kleine weiße Pünktchen in der geröteten Wangenschleimhaut, krampfartiger Husten, zunehmendes Fieber, dann nach ca. 4 Tagen beginnend im Gesicht, Hals, Brust und sodann am ganzen Körper rote kleine Flecke, danach Absinken des Fiebers und allmähliches Verblassen), Diagnose (Masern), Krankheit (Masern), Ätiologie (Ursache, Grund; im Beispiel Virus-Infektion), Pathogenese (Entstehung, Entwicklung, Verlauf der Krankheit: siehe bitte oben bei Syndrom) und Therapie (Ruhe, Wärme, leichte Lichtabdeckung, keine Umschläge, Fruchtsaft, keine Milch), Prophylaxe (Vorbeugung: Impfung). Mit dem Syndrombegriff gibt es zwei Hauptprobleme: (1) Ein Kernproblem besteht darin, daß nicht immer alle Symptome gleichermaßen auftreten, so daß nie ganz klar ist, welche Kombination von Symptomen nun das Syndrom bedeutet. (2) Ein und dasselbe Syndrom kann zu verschiedenen Krankheiten gehören, wie findet man also die richtige Diagnose? Wenden wir uns nun aber der Syndromfrage zu, wie sie sich für Gardner stellt.
1.2.2 Syndrom
Aus der Beobachtung des vorher beschriebenen Kernphänomens wurde von dem amerikanischen Kinder und Jugendpsychiater Richard A. Gardner das Parental Alienation Syndrome (PAS) oder – auf deutsch – das elterliche Entfremdungssyndrom 1985 erstmals formuliert; 1987 erschien ein erster Artikel mit PAS im Titel von ihm und 1992 die erste Auflage des entsprechenden Buches; 1998 erschien die 2. Auflage, auf die ich mich im folgenden, wenn es um die aktuelle authentische Meinung Richard A. Gardners geht, immer beziehen werde. Es ist wichtig, auf Gardners Originalarbeit zurückzugreifen, weil er nicht selten von seinen AnhängerInnen in Deutschland unzulänglich, manchmal sogar falsch, zitiert und verarbeitet wird.
Eine ganze Reihe von überflüssigen Problemen sind durch Gardners Bestrebungen entstanden, zusätzlich zu dem an sich klaren, einfachen und ausreichend beschriebenen Kernphänomen, noch ein zusätzliches „Syndrom“ zu bilden. Das ist insofern sehr verwunderlich als man ja jederzeit das Kernphänomen als „Syndrom“ bezeichnen könnte, wenn man denn wollte. Im Grunde ist nicht erklärt, zu welchem Zweck und auf wen nun genau bezogen, ein „Syndrom“ definiert werden soll:
a) Zeigt ausschließlich das Kind dieses „Syndrom“?
b) Zeigt der Elternteil auch einen Teil des „Syndroms“?
c) Können beide Eltern Teile des „Syndroms“ zeigen?
d) Zeigen Elternteil und betroffenen Kinder zusammen dieses „Syndrom“?
e) Können es auch Familienangehörige oder andere Bezugspersonen zeigen?
Tatsächlich bezieht sich Gardners Tabelle auf Merkmale beim Kind, so daß davon auszugehen ist, daß das PAS-„Syndrom“ von ihm in erster Linie für eine Kennzeichnung des betroffenen Kindes gedacht ist. Dieser Ansatz ist sicher problematisch und wahrscheinlich unzweckmäßig bis falsch, weil, wie Gardner ja explizit definiert, dieses Syndrom sowohl durch – wenigstens – eine entfremdende Bezugsperson als auch durch eigenes Zutun des Kindes zustande kommen muß, also Ausdruck und Produktion eines Bezugspersonensystems ist. Das Bezugspersonensystem produziert dieses „Syndrom“. Um in der modernen Psychotherapiesprache zu sprechen: das Kernphänomen PAS ist eine multiple, eine systemische Störung. Weshalb das Kind aktiv mittun muß, bleibt unklar, wird nicht begründet und ist ebenfalls im Grunde unverständlich. Wieso soll es nicht Fälle geben, bei denen das Kernphänomen des Parental Alienation Syndrome (PAS) ohne aktives Zutun des Kindes bei ihm induziert und hergestellt wird.
1.2.3 Wie definiert Richard A. Gardner sein PAS-„Syndrom“?
Wilfried von Boch-Gallhau unter Berufung auf Gardner beschreibt die Syndromelemente wie folgt:
„Professor Gardner beschreibt acht hauptsächliche Manifestationen bei PAS. Diese können in Stärke und Ausprägung variieren. Nicht jedes Kind zeigt alle angeführten Symptome. Es wird zwischen schwacher, mittelstarker und hochgradiger Form des PAS unterschieden, was für die Art der notwendigen rechtlichen und psychologischen Interventionen von Bedeutung ist.
1. Zurückweisungs- und Verunglimpfungskampagne
Frühere, schöne Erlebnisse mit dem abgelehnten Elternteil werden fast ständig ausgeblendet. Der abgelehnte Elternteil wird ohne große Verlegenheit und Schuldgefühle abgewertet, als böse und gefährlich beschrieben, sozusagen zur ‘Unperson’ gemacht. Die Kinder geraten bei ihren Schilderungen in eine große innere Anspannung und können bei näherem Befragen meist nichts konkretisieren. Sie sagen dann oft: ‘Es ist so, ich weiß es.’
2. Absurde Rationalisierungen
Die Kinder produzieren für ihre feindselige Haltung irrationale und absurde Rechtfertigungen, die in keinem realen Zusammenhang mit tatsächlichen Erfahrungen stehen. Alltägliche Ereignisse werden zur Begründung herangezogen. ‘Er hat oft so laut gekaut’ oder ‘Sie hat mich nicht warm genug angezogen,’ ‘Sie will immer, daß wir sagen, wozu wir Lust haben’ u. ä.
3. Fehlen von normaler Ambivalenz
Beziehungen zwischen Menschen sind immer ambivalent. An einem Menschen gefällt mir dieses, jenes aber nicht. Bei PAS-Kindern ist ein Elternteil nur gut, der andere nur böse. Unrealistischerweise wird der eine nur weiß, der andere nur schwarz gezeichnet. Dieses Phänomen ist bei PAS besonders typisch und muß den Befragenden hellhörig machen.
4. Reflexartige Parteinahme für den programmierenden Elternteil
Bei Familienanhörungen wird reflexartig, ohne Zögern und ohne jeden Zweifel für den betreuenden Elternteil Partei ergriffen, oft noch bevor dieser überhaupt etwas gesagt hat. Auch hier können die Vorwürfe auf entsprechendes Nachfragen oft nicht konkretisiert werden.
5. Ausweitung der Feindseligkeit auf die gesamte Familie und das Umfeld des zurückgewiesenen Elternteils.
Großeltern, Freunde und Verwandte des außerhalb lebenden Elternteils, zu denen das Kind bisher eine warme und herzliche Beziehung unterhielt, werden plötzlich ohne plausiblen Anlaß ebenso feindselig abgelehnt, wie der außerhalb lebende Elternteil selbst. Dies wird mit ähnlich absurden und verzerrten Begründungen gerechtfertigt. Das Kind befindet sich dabei häufig in einer tiefen inneren Spannung und Zerrissenheit.
6. Das Phänomen der ‘eigenen Meinung’ und des ‘eigenen Willens’
In PAS-Familien wird der ‘eigene Wille’ und die ‘eigene Meinung’ vom betreuenden Elternteil besonders hervorgehoben. PAS-Kinder wissen schon mit drei oder vier Jahren, daß alles was sie sagen, ihre eigene Meinung ist. Die programmierenden Eltern zeigen sich besonders stolz darauf, wie unabhängig und mutig ihre Kinder sich trauen zu sagen, was sie denken. Oft werden die Kinder aufgefordert, auf jeden Fall „die Wahrheit“ zu sagen. Die erwartete Antwort kommt dann auch mit Sicherheit, denn kein Kind kann die Enttäuschung des betreuenden Elternteils riskieren, von dem es ja abhängig ist. An diesem Punkt zeigt die Programmierung ihre fatalen Folgen: Die Kinder haben verlernt, ihrer eigenen Wahrnehmung zu trauen und sie zu benennen. Die doppelten, widersprüchlichen Botschaften (double-bind messages), die sie erhalten, können sie nicht erkennen und nicht auflösen: ‘Geh mit deinem Vater / Mutter (verbal), aber wehe du gehst! (nonverbal)’ – Das macht verrückt.
7. Abwesenheit von Schuldgefühlen über die Grausamkeit gegenüber dem entfremdeten Elternteil
Die betroffenen PAS-Kinder haben keine Schuldgefühle, sie unterstellen, der abgelehnte Elternteil sei gefühlskalt, leide nicht unter dem Kontaktverlust zu seinem Kind und es geschehe ihm nur recht, keinen Kontakt mehr zu haben. Gleichzeitig werden finanzielle Forderungen und Ansprüche ohne Skrupel angemeldet, die Kinder empfinden dies ‘als ihr gutes Recht’. Dankbarkeit zeigen sie nicht.
8. Übernahme ‘geborgter Szenarien’
PAS-Kinder schildern teilweise groteske Szenarien und Vorwürfe, die sie von den betreuenden Erwachsenen gehört und übernommen, aber nicht mit dem anderen Elternteil selbst erlebt und erfahren haben. Meist genügt die Nachfrage ‘Was meinst du damit?’, um festzustellen, daß das Kind gar nicht weiß, wovon es spricht. Einem Vater wurde anläßlich eines Schwimmbadbesuches z. B. vorgeworfen, er hätte das Kind fast ertrinken lassen – also ein völlig unverantwortlicher und ungeeigneter Vater zu sein.“
Syndrom-Tabelle [FN01]
Symptomatik
leicht
mittel
schwer
Verunglimpfungskampagne minimal mittel beträchtlich
Schwache, leichtfertige oder minimal absurde Rationalisie- rungen der Verunglimpfung minimal mittel multiple absolute Rationalisierungen
Fehlende Ambivalenz normale Ambivalenz keine Ambivalenz keine Ambivalenz
Phänomen „eigenständiges Denken“ in der Regel nicht vorhanden vorhanden vorhanden
Reflexive Unterstützung des entfremdenden Elternteils minimal vorhanden vorhanden
Fehlende Schuldgefühle normales Schuldgefühl geringes bis kein Schuldgefühl kein Schuldgefühl
„Entliehende Szenarien“ minimal vorhanden vorhanden
Ausweitung der Feindseligkeiten auf die erweiterte Familie des entfremdeten Elternteiles minimal vorhanden beträchtlich, oft geradezu fanatisch
Übergangsschwierigkeiten während der Besuchszeiten mormalerweise nicht vorhanden mittlere Ausprägung beträchtlich, Besuch oft unmöglich
Verhalten während der
Besuchszeiten. gut Zeitweise Antagonistisch und provozierend Keine Besuche oder destruktives Verhalten und anhaltende Provokation
Bindung zum entfremdenden Elternteil Stark, gesund Stark, leichte bis mittlere pathologische Ausprägung Stark pathologische, oft paranoide Bindung
Bindung zum entfremdeten Elternteil Stark, gesund oder leicht pathologisch Stark, gesund oder leicht pathologisch Stark, gesund oder leicht pathologisch
1.2.4 Was ist nun ein Syndrom und zu was braucht man den Syndrom-Begriff?
Die Idee und Schöpfung des Syndrombegriffs beruht auf der Beobachtung, daß bestimmte Störungen und Krankheiten ein typisches Symptommuster zeigen: „Treten bestimmte Symptome immer wieder gemeinsam auf, ohne daß man den Grund, die gemeinsame Ursache kennt, so spricht man auch heute von einem Syndrom.“ (Hartmann 1959, S. 152). „Syndrome sind Komplexe von Symptomen, die häufig zusammen beobachtet werden und irgendwie ihrem Wesen nach zusammenhängen.“ [FN02] „Eine Syndromatologie psychischer Störungen hat daher von dem gemeinsamen Auftreten von Symptomen ohne Rücksicht auf deren Entstehungsbedingungen … auszugehen.“ [FN03] „In der klinischen Erfahrung trifft man wiederkehrende typische ‚klinische Bilder‘ an, konstelliert durch häufig im Zusammenhang (im Verband) auftretende Symptome.“ [FN04] „Die triviale Eigenschaft von Syndromen ist, dass sie Gruppen von Symptomen darstellen. Das Gemeinsame dieser Symptome ist die Tatsache, dass sie ein typisches Muster bilden, eine häufig auftretende empirische Konstellation. Im Sinne des medizinischen Krankheitsbegriffes ist ein Syndrom die Folge eines krankhaften Prozesses, der sich im Beobachtbaren eben durch die ihn kennzeichnende Gruppe von Symptomen manifestiert. In der Körpermedizin kann dieser Kausalzusammenhang häufig durch anatomisch-physiologische Untersuchungen nachgewiesen werden. In der Psychiatrie dagegen ist die Ursache einer Störung – abgesehen von den exogenen Psychosen – meist Gegenstand von Kontroversen und liegt ausserhalb des beobachtbaren Bereichs. Eine Syndromatologie kann sich dann ausschliesslich auf das mehr oder weniger häufige Zusammenauftreten von Symptomen und anderen Sachverhalten abstützen. Wir wollen deshalb für unsere Zwecke ein Syndrom als nichts anderes definieren, als eine Gruppe (häufig) zusammenauftretender Symptome.“ [FN05]
Ein Problem in der Praxis ist nun: Viele Störungen oder Krankheiten produzieren Symptome oder Syndrome nicht immer und beständig, sondern die relativen Häufigkeiten schwanken. Es ist von daher gesehen faktisch sehr schwierig, eine Störung oder Krankheit eindeutig und klar zu definieren. Es stellt sich die Frage: Was tut man also im Einzelfall, wenn ein Symptom oder ein Syndrom fehlt? Die internationalen Diagnosesysteme haben das Problem so gelöst, daß sie eine Menge relevanter Kriterien festlegen und aus diesen eine minimale Auswahl verlangen, z. B. das DSM IV für Borderline Störungen ein Minimum von 5 aus 9 Kriterien [FN06]. Man kann über den Sinn dieser Methode streiten. Tatsache ist, daß die großen internationalen Diagnosesysteme oben aufgezeigtes Problem der Symptomfluktuation und Bedeutung kennen und dafür eine praktische Lösung geschaffen haben, wie sinnvoll oder fragwürdig diese im einzelnen auch immer sein mag.
1.2.5 Zusammenfassende Kritik: PAS als Syndrom
Richard A. Gardner, obwohl er für das DSM V einen Vorschlag ausarbeiten soll, ignoriert dieses Problem und die Aufgabe. Er definiert zwar drei Ausprägungen seiner PAS-Syndrom Konstruktion, aber er definiert keine Zuordnungsbedingungen, so daß sich hieraus zwingend ergibt: 1) Es müssen immer alle 8 von 8 Bedingungen erfüllt sein und das ist 2) unrealistisch, untypisch und nicht im Einklang mit den Regeln der großen internationalen Diagnosesysteme. Man darf getrost den Schluß ziehen: der Psychoanalytiker Richard A. Gardner hat überhaupt kein theoretisches Fundament, kein methodologisch begriffliches Repertoire und kein Problembewußtsein zum Syndrombegriff. Der Witz daran ist, daß meines Erachtens die ganze Syndromdebatte weitgehend künstlich und überflüssig ist. Das ist insofern schade, weil die bedeutsame Leistung Richard A. Gardners, die Bedeutung des PAS-Kernphänomens herausgearbeitet und international bekannt gemacht zu haben, dadurch zu sehr in Nebenschauplatzdebatten aufgerieben und das Wesentliche aus dem Auge verloren werden könnte.
1.2.6 Die Lösung des Syndrom-Problems
Die Lösung des Syndrom-Problems ist ganz einfach, wenn man sich auf das wesentliche Kernphänomen beschränkt. Ich mache daher folgenden Definitionsvorschlag:
Ein PAS-Kernsyndrom liegt vor, wenn ein Kind bei sich trennenden, scheidenden oder geschiedenen Eltern – meist – relativ plötzlich und ohne nachvollziehbare Gründe, sich von dem umgangsberechtigten Elternteil und dessen Beziehungspersonen nahezu vollständig abwendet und nur noch mit dem Sorgeberechtigten und dessen Beziehungsumwelt zu tun haben will
Unterschiedliche Entwicklungen und Varianten ergeben sich durch:
1) Plötzlichkeit der Abwendung
2) Nicht nachvollziehbare Gründe
3) Ausmaß der Abwendung
Hier ist noch sehr viel Forschungsarbeit zu leisten, insbesondere was die Gründe einer solchen Entwicklung betrifft. Daher sollen nunmehr zunächst die grundsätzlichen Möglichkeiten erörtert werden.
2. Woher kommt es (Ätiologie, Pathogenese)?
Vom (PAS-) Syndrom zum Befund der Diagnose und Krankheit
2.1 Grundsätzliche Möglichkeiten und kombinatorische Überlegungen
Für unser Elterliches Entfremdungs-Syndrom stellt sich grundsätzlich auch die familienrechtspsychologisch entscheidende Frage, wenn geklärt sein sollte, daß PAS vorliegt: was bedeutet es, welche „Krankheit“ drückt es aus: (a) Fehlverhalten des Sorgeberechtigten, (b) Fehlverhalten des Umgangsberechtigten, (c) Fehlverhalten des Kindes, (d) Fehlverhalten anderer Bezugspersonen und (e) andere bislang unbekannte Faktoren und Gründe oder eine Kombination der möglichen Faktoren a) bis e)? Insgesamt gibt es dann nach den Regeln der Kombinatorik für das Kernproblem folgende 32 Möglichkeiten [FN07]:
01: a 02: b 03: c 04: d 05: e
06: a+b 07: a+c 08: a+d 09: a+e 10: b+c
11: b+d 12: b+e 13: c+d 14: c+e 15: d+e
16: a+b+c 17: a+b+d 18: a+b+e 19: a+c+d 20: a+c+e
21: a+d+e 22: b+c+d 23: b+c+e 24: b+d+e 25: c+d+e
26: a+b+c+d 27: a+b+c+e 28: a+b+d+e 29: a+c+d+e 30: b+c+d+e
31: a+b+c+d+e 32: keine Kombination trifft zu / liegt vor („Fehldiagnose“).
Das eigentliche und wirklich wichtige Problem der Diagnose eines Parental Alienation Syndrome (PAS) ist, wie man sieht, gar nicht die Syndrom-Definition, sondern die Ätiologie (Ursache, Gründe) und Pathogenese (Entstehung, Entwicklung, Verlauf). Für Richard A. Gardner und besonders für seine unkritischen AnhängerInnen und PropagandistInnen in Deutschland existiert die kombinatorische Kausalproblematik nicht und dies zeigt schon, wie es um die Wissenschaftlichkeit dieses Ansatzes bestellt ist.
2.2 Gardners falscher Ansatz
Schon die Sprache Gardners setzt völlig falsche Akzente: Sein wesentliches Erklärungskonzept besteht darin, aufgrund einer besonderen Bindung [FN08] zwischen dem entfremdenden Elternteil und dem Kind so etwas wie eine Programmierung oder Gehirnwäsche anzunehmen.
Die gesamte deutsche Anhängerschaft R. A. Gardners beruft sich kritiklos auf dieses Dogma [FN09].
Der nichtsorgeberechtige oder nicht dauerhaft bzw. hauptsächlich residente Elternteil und andere Bezugspersonen wie auch sonstige Umstände spielen von vorneherein überhaupt keine Rolle. Wie eine solche wissenschaftlich noch nicht genügend erforschte Theorie so problemlos Eingang in obergerichtliche und höchste Urteile finden kann, ist schwer nachvollziehbar.
Abgesehen von der psychologisch und psychopathologisch fehlerhaften Wortwahl, ergeben sich hierbei in der Rezeption des PAS immer wiederkehrende Ungereimhteiten, was PAS ist und nicht ist oder sein soll. In der Neuauflage schreibt er, daß es geradezu wesentlich zu seinem PAS gehört, daß die PAS Kinder einen eigenständigen Anteil einbringen. Außerdem macht er noch einmal deutlich, daß PAS nicht mit Gehirnwäsche und Programmierung gleichgesetzt werden darf. In der Einleitung zu seinem Buch nimmt R.A. Gardner zu einigen aktuellen Problemen und Mißverständnissen Stellung (1998, p. xx), u.a.:
„THE PARENTAL ALIENATION SYNDROME
IS NOT THE SAME AS PROGRAMMING
(„BRAINWASHING“)
It has come as a surprise to me from reports in both the legal and mental health literature that the definition of the PAS is often misinterpreted. Specifically, there are many who use the term as synonymous with parental „brainwashing“ or „programming.“ No reference is made to the child’s own contributions to the victimization of the targeted parent. Those who do this have missed an extremely important point regarding the etiology, manifestations, and even the treatment of the PAS. The term PAS refers only to the situation in which the parental programming is combined with the child’s own scenarios of disparagement of the vilified parent.“
Das Vokabular „Gehirnwäsche“ und „Programmierung“ ist aus mehrfachen Gründen abzulehnen:
Programmieren ist bewußte, rationale Tätigkeit
Gehirnwäsche ist eine bewußte radikale Manipulation des Denkens und der Einstellung
a) Damit wird eine ausschließliche Zentrierung auf den sorgeausübenden Elternteil vollzogen und andere Faktoren, die b) im Kind, c) beim nichtsorgeausübenden Elternteil, d) bei anderen Bezugspersonen, e) oder andere, z. B. situative Faktoren, liegen, vorweg ausgeschlossen.
die Beeinflussungsmethoden verlaufen nicht selten unbewußt
Ich schlage stattdessen den neutralen Ausdruck unangemessene Beeinflussung unterschiedlicher Herkunft vor.
Bisher jedenfalls hat die Darstellung des PAS ganz eindeutig dazu geführt, dem sorgeausübenden Elternteil die alleinige Hauptverantwortung für die Entstehung einer ziemlich plötzlichen und vollständigen Abwendung des Kindes vom nicht- sorge- ausübenden Elternteil zuzuschieben, was letztlich nur darauf hinausläuft, die Machtverhältnisse umzukehren und neue Feindbilder und Verhärtungen aufzubauen. Diese Einseitigkeit der Darstellung findet sich in nahezu sämtlichen Veröffentlichungen der PAS-AnhängerInnen. Beispielhaft und typisch nach Boch-Gallhau (1999):
„Beim PAS bewirken im wesentlichen drei Faktoren die aggressive Zurückweisung eines Elternteils und die Übernahme der ablehnenden Gefühle des betreuenden Elternteils durch das Kind in (vgl. U. Kodjoe / P. Koeppel: ‘The Parental Alienation Syndrome’ DA 1/98):
Die teils bewußte, teils unbewußte Manipulation und Programmierung des Kindes durch den Elternteil, mit dem es ständig zusammenlebt mit dem Ziel, die Liebe des Kindes zum anderen Elternteil zu zerstören und diesen aus dem Leben des Kindes auszugrenzen.
Das Kind gerät in einen schweren Loyalitätskonflikt und schlägt sich aus Abhängigkeit auf die Seite des Elternteils, mit dem es zusammenlebt und auf den es angewiesen ist. („Wes‘ Brot ich eß, des‘ Lied ich sing.“) Der andere wird gefühlsmäßig abgespalten.
Vor dem Hintergrund von Negativdarstellungen und Abwertungen des außerhalb lebenden durch den betreuenden Elternteil übernimmt das Kind dessen Darstellungen und seine negativen Gefühle, macht sie zu seinen eigenen und entwickelt daraus manchmal sogar noch eigene Geschichten und Szenarien, die noch über die Darstellung des manipulierenden Elternteils hinausschießen. Häufig werden Dinge ausgesagt, die nachweislich gar nicht stattgefunden haben.
Äußere Lebensbedingungen, finanzielle Möglichkeiten, Wegziehen in eine andere Stadt oder ins Ausland, systematische Entfremdung durch Umgangsvereitelung, Verstärkung bei der Programmierung durch Angehörige können schließlich die Eltern-Kind-Entfremdung unterstützen und das Feinbild-Syndrom beim Kind fixieren.
Es kommt zu einer stabilen Koalition zwischen Kind und ständigem Elternteil, so daß dieser schließlich gar nicht mehr aktiv zu sein braucht. Teilweise nimmt die Ablehnung die Form von Ritualen an, wie es sehr gut in dem oben genannten Artikel von W. Klenner (1995) beschrieben wird:“
Die Rolle, Funktion, Agieren und Beziehungsgeschichte zwischen Kind und dem nichtsorgeausübenden Elternteil sind in dem Erklärungssystem vollständig verschwunden. Diese Abspaltung ist wohl ein einmaliges und außerordentliches Phänomen, das mit Wissenschaft nicht in Einklang gebracht werden kann. Hier spielen zwei Faktoren hinein: (1) die bisherige Ohnmacht des Rechts und der Nichtsorgeausübenden und (2) die teilweise hemmungs- und verantwortungslose Ausnutzung der Macht- und Beeinflussungsverhältnisse einiger Sorgeausübender gegenüber den Nicht-Sorgeausübenden.
3. Wie kann man es beheben, ausgleichen, ändern (Behandlung, Therapie)?
Bevor man eine Störung sinnvoll beheben kann, muß man wissen, worin sie genau besteht, wie sie genau entstanden und aufrechterhalten wird und welche Möglichkeiten der Einflußnahme es gibt. Diese schwierigen Fragen stellen sich für Gardner und seine AnhängerInnen nicht mehr, da die/der Allein-Schuldige identifiziert ist als die / der überwiegend die Sorge ausübende. Diese Fälle mit überwiegender Schuld der / des überwiegend die Sorge ausübenden gibt es wohl, was aber ist mit den Fällen, in denen, die Nicht-Sorgeausübenden den Umgang mißbrauchen, (1) indem sie an der Sorgeausübung „arbeiten“ und das Kind in schwere Loyalitätskonflikte stürzen; (2) indem sie dem Kind ständig ihre Sicht der Dinge unnachgefragt aufdrängen; (3) indem sie dem Kind voreilig die Akzeptanz und positive Wertschätzung ihrer neuen Partner- und Familiensituation aufdrängen; (4) indem das Kind mißbraucht wird, um die Partnergeschichte aufzuarbeiten; (5) indem das Kind vernachlässigt und abgeschoben wird? Auf die Kinder wird überhaupt nicht mehr die geringste Rücksicht genommen. Die neue Ideologie heißt: Der Umgang ist immer gut für das Kind und muß unter allen Umständen erzwungen werden, nötigenfalls mit einer Änderung des Sorge- bzw. des Aufenthaltsbestimmungsrechtes. So empfiehlt Gardner folgende Maßnahmen:
Intervention [FN10] leicht mittel schwer
Gerichtliche Intervention
Alleinige elterliche
Sorge bleibt beim entfremdenden Elternteil
Plan A (üblich)
1. Elterliche Sorge verbleibt beim entfremdenden Elternteil
2. Bestellung eines Therapeuten oder Mediators bzw. Verfahrens-/ Umgangspflegers
3. Sanktion: a) Geld,
b) Hausarrest,
c) Beugehaft
Plan B (gelegentlich erforderlich)
1. Übertragung der elterlichen Sorge auf den entfremdeten Elternteil
2. Äußerst beschränkte und überwachte Besuche durch den ehemals entfremdenden Elternteil
1. Sorgerechtsübertragung auf den entfremdeten Elternteil
2. Gerichtlich angeordnete Intervention der Übergangsörtlichkeit
Umgangs- und Verfahrenspflege
Therapie
Mediation_
in der Regel nicht kurativ, jedoch präventiv indiziert
Plan A (üblich)
Intervention eines Therapeuten, Mediators bzw. Verfahrenspflegers
Plan B (gelegentlich erforderlich)
überwachte Intervention der Übergangsörtlichkeit
Durch Verfahrens-/ Umgangspfleger bzw. Therapeuten/ Mediator überwachte Intervention der Übergangsörtlichkeit
4. PAS in der wissenschaftlichen Literatur
PAS in den deutschen und internationalen Literatur-Datenbanken
Untersucht wurden die für Deutschland wichtigsten Literaturdatenbanken Psyndex, PsycLIT und Medline.
PsycLIT
In der international bedeutsamen amerikanischen Literaturdatenbank PsycLIT gab es bis Ende Juni 1999 insgesamt 16 Einträge mit insgesamt 14 echt verschiedenen zum Suchbegriff Parental Alienation Syndrome (PAS), nämlich (nach Zeitaktualität sortiert von oben nach unten): Gardner, Richard A. (1999). Rooney, Shelley A.; Walker, Todd F. (1999). Lowenstein, L. F. (1998). Gardner, Richard A. (1998). Gordon, Robert M. (1998). Faller, Kathleen Coulborn (1998). Rand, Deirdre Conway (1997, I, II). Lund, Mary (1995). Turkat, Ira Daniel (1994). Hysjulien, Chery; Wood, Barbara; Benjamin, G. Andrew H. (1994). Dunne, John; Hedrick, Marsha (1994). Stahl, Philip Michael (1994). Cartwright, Glenn F. (1993). Palmer, Nancy R. (1988).
Psyndex
Im Psyndex, der deutschen psychologischen wissenschaftlichen Literaturdatenbank findet sich bis 09/1999 (geführt ab 1977) insgesamt nur ein einziger Eintrag: Ward, P.; Campbell-Harvey, J. (dt. 1998; orig. 1993).
Medline
In der englisch-sprachigen internationalen medizinischen Literaturdatenbank MEDLINE findet sich bis 09/1999 auch nur ein einziger Artikel: Price, JL; Pioske, KS (1994).
Insgesamt finden sich in den drei wichtigen internationalen Datenbanken bislang wenig Veröffentlichungen; eine kritische Auseinandersetzung hat noch gar nicht stattgefunden. In Deutschland liegen inzwischen erste kritische Arbeiten vor (Gerth, U. [1998]; Salzgeber, J. & Stadler, M. [1998]; Stadler, M. & Salzgeber, J. [1999]; Salzgeber, J.; Stadler, M.; Schmidt, Sabine M. & Partale, C. [ 1999]). Von daher muß es außerordentlich verwundern, daß PAS bereits in obergerichtlichen Urteilen in einer Weise zitiert wird als handele es sich um fundierte, allgemein wissenschaftlich akzeptierte Erkenntnisse.
5. Zusammenfassende vorläufige Bewertung (11/1999)
Das Parental Alienation Syndrome (PAS) des Psychiaters Richard A. Gardner geht aus von einem sehr wichtigen und richtigen Kernphänomen, nämlich der Beobachtung, daß ein Kind bei sich trennenden, scheidenden oder geschiedenen Eltern meist relativ plötzlich und ohne nachvollziehbare Gründe, sich von dem nicht-sorgeausübenden Elternteil und dessen Beziehungspersonen vollständig abwendet und nur noch mit dem Sorgeausübenden und dessen Beziehungsumwelt zu tun haben will. Gardner meint für dieses Phäomen ein Syndrom gefundenen zu haben, beschreibt es, versucht es zu erklären und macht Vorschlage zu seiner Behebung. Hierzu ist kritisch zu bemerken: Das Konzept ist (1) in seiner syndromalen Konstruktion problematisch und differentialdiagnostisch unausgegoren; (2) von grundlegenden, einengenden, einseitigen und damit falschen Annahmen und nicht begründeten empirischen Fakten getragen; (3) extrem parteiisch gegen die Sorgeausübenden und unkritisch für die Nichtsorgeausübenden; (4) in der „rechtspsychologisch-therapeutischen“ Anwendung in sich unlogisch und widersprüchlich, wenn der Sorgeausübende seinerseits zum PAS-Fall gemacht werden kann; (5) einige Empfehlungen verkennen das Prinzip und Gebot der Verhältnismäßigkeit der Mittel; (6) die unkritische Anwendung dieses Konzeptes ist damit familien-rechtspsychologisch und für das Kindeswohl außerordentlich gefährlich, besonders wenn es von missionarischen ParteigängerInnen angewendet wird. Wie so vieles enthält die Idee aber etwas Wahres und Nützliches, das im Einzelfall zum Nutzen des Kindeswohls hilfreich sein kann. Hier ist die Spreu vom Weizen zu trennen und vor allem darauf zu achten, das Kind nicht mit dem Badewasser auszuschütten. PAS-Fälle kommen sehr wahrscheinlich vor, wenn auch weit weniger oft in der propagierten Einseitigkeit, mit der die neuen MissionarInnen inzwischen auftreten und die Öffentlichkeit wie die Gerichte verwirren und verunsichern.
Die falschen PAS Dogmen lauten: (1) Ein PAS liegt hauptsächlich an einer Art programmierenden Gehirnwäsche des Sorgeausübenden. (2) Der Umgang mit dem nichtsorgeberechtigten Elternteil ist langfristig für das am Lebenswohl gemessene Kindeswohl immer am besten. (3) Die kindliche Seele und Entwicklung ist durch nichts zu erschüttern und jede Zwangsmaßnahme ist dem Kind zumutbar, weil es doch langfristig betrachtet von einer aufrechterhaltenen Bindungsbeziehung zu beiden Eltern am meisten profitiert.
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Journal of the American Professional Society on the Abuse of Children. 1998 May; Vol 3(2): 100-115
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Fuß/Endoten
[FN01] Tabelle 1 entnommen aus dem Artikel „Maßnahmen und Empfehlungen für das Umgangsverfahren im Blickfeld einer
Differentialdiagnose bei Parental Alienation Syndrom (PAS) unterschiedlicher Ausprägung in Anlehnung an Gardner (1992/1997)
von W. Leitner / R. Schoeler in: Der Amtsvormund, Nov./Dez./1998, S.886
[FN02] Bleuler (1983), S. 109.
[FN03] Lexikon der Psychiatrie, Stichwort „Syndrom“, S. 508.
[FN04] C. Scharfetter (1976), S-. 99
[FN05] Weber, A. (1984, S. 102).
[FN06] Im Vorgänger DSM III verlangte man nur 5 aus 8. Damit wurden per methodologischem Beschluß 56 Äquivalenzklassen von Borderlinestörungen definiert. Inzwischen sind es ohne jede Begründung 126 geworden, ein typisches unwissenschaftliches Vorgehen in den großen internationalen Diagnosesystemen.
[FN07] Folgt der Summation der Eulerschen Formel: (n über i), hier (5 über 1) =5, (5 über 2) = 10, (5 über 3) = 10 (5 über 4) = 5, (5 über 5) =1, ergibt zusammen 31 Möglichkeiten plus 1 Möglichkeit Fehldiagnose = 32.
[FN08] Obwohl der Psychoanalytiker Richard A. Gardner ein entschiedener und traditioneller Bindungstheoretiker ist, kennt er offenbar weder die traditionelle noch die neuere Bindungsliteratur. Diese Tatsache wird von den deutschen ParteigängerInnen um Fthenakis oder Jopt und ihren AnhängerInnen – meist im Umfeld parteilicher Vater-Interessengruppierungen -, die dem Bindungskonzept sehr kritisch bis ablehnend gegenüberstehen, gern verschwiegen.
[FN09] So z. B.: Klenner (1995, S. 1532): „Nach Gardner nimmt dabei das „Brainwashing“, also die Gehirnwäsche durch den das Kind festhaltenden Elternteil, eine zentrale Stellung ein.“ Leitner & Schoeler (1998, S. 850) sprechen von „bewußter oder unbewußter Programmierung“, wobei man sich fragen kann, wie sich eine Programmierung mit unbewußten Vorgängen vertragen soll.
[FN10] Gardner (1998, p. Addendum II). Dt. in Leitner & Schoeler 1998, S. 886, zitiert auch in Boch-Gallhau (Inte-rnet. Mild, mittel, schwer beziehen sich auf das dubiose PA-Syndrom.
[FN11] In diesem Buch ist Gordon’s Arbeit die einzige zum PAS.
Recht gute Aufarbeitung des Themas. Leider treten durch die sehr theoretisch wissenschaftliche Aufarbeitung die realen Folgen in den Hintergrund. Da wären z.b. eine extrem hohe Selbstmordrate bei ausgegrenzten Elternteilen, die Beobachtung das viele der betroffenen Kinder oft erst im Erwachsenenalter selbst psychisch schwer erkranken, oder dass eine „Helferindustrie“ ( Anwälte, Jugendämter, Gutachter, und nicht zuletzt der Staat selbst) kräftig Öl ins Feuer gießen, aus meist wirtschaftlichen Eigeninteresse. Mir ist es letztlich egal, ob man das ganze als ein Kern Phänomen oder als ein Syndrom bezeichnet. Die Tatsache dass sich der Staat an gescheiterten Familien bereichert (indem er so tut, als hätte es diese Familie nie gegeben und verweigert diesen den Familienlastenausgleich) und dafür sorgt das sonst arbeitslose Rechtsanwälte, Jugendamtsmitarbeiter und Gutachter sinnlos alimentiert werden, auf letztlich Kosten derjenigen die sich am wenigsten wehren können, ist skandalös. Das erfüllt genau so den Tatbestand des Kindesmissbrauchs. Da hilft eine Dogmendiskussion nicht weiter.
Letztlich gilt: ein Kind hat das Recht auf beide Eltern- und beide Familienteile. Das die von Herrn Gardner geforderten Maßnahmen der Weisheit letzter Schluss sind, darf zu Recht bezweifelt werden. Die in der deutschen Rechtspraxis aber übliche Haltung, die da heißt: wenn Mama nicht will, dann kann man nichts machen – das kann es auch nicht sein.
Uns fehlt die Fähigkeit in hoch konfliktären Situationen therapeutisch Eingreifen zu können. Alle therapeutischen Ansätze setzen zumindest die Bereitschaft zur Teilnahme an einer Maßnahme voraus. Gerade in PAS Situationen ist aber das, zumindest bei einem der Beteiligten nicht gegeben. Deshalb müssen alle gut gemeinten Ansätze scheitern. Da helfen auch keine Zwangsmaßnahmen. Die Kinder sind dann trotzdem die langfristigen Verlierer.